Zwischen Himmel und Erde by Ludwig Otto

Zwischen Himmel und Erde by Ludwig Otto

Autor:Ludwig, Otto
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T00:00:00+00:00


Ihre Stimme klang so tief aus der Brust herauf, daß der Mann seinen Groll mit Gewalt festhalten mußte. Er dachte: »Sie tut so süß, um dich zu hintergehn. Sie haben's verabredet, als er da war.« Und der Groll schwoll nur noch grimmiger an den weichen Klängen, »Und du gehst noch nicht in den Himmel. Nicht, Ännchen? Du bist ja ein so gut lieb Kind und bleibst noch bei Vater und Mutter. Wenn nur – du hast kein Herz vor dem Vater, du dumm lieb Ännchen, weil er laut spricht. Er meint's nicht bös deshalb.«

Sie hielt inne; sie erwartete die Antwort von dem Vater, nicht von dem Kinde. Sie erwartete, er werde an das Bett treten und zu dem Kinde sprechen wie sie, und durch das Kind mit ihr. Wie sie von ihm denken mochte, das Kind war doch sein Kind, und es war krank.

Der Mann schwieg und blieb ruhig auf seinem Stuhle sitzen. Ein halb Vaterunser lang hörte man nichts als das Ticken der Uhr, und das wurde immer schneller wie das Klopfen eines Menschenherzens, das Schlimmes kommen ahnt; die Flamme des Lichtes zuckte wie vor Furcht.

Valentin stand auf von seinem Stuhle, um das Licht zu putzen.

Die Brust des Kindes röchelte; es wollte sprechen, es konnte nicht; es wollte mit den Händen nach dem Vater langen, es konnte nicht; es konnte nichts, als die Arme seiner Seele nach dem Vater ausstrecken. Aber des Vaters Seele sah die flehenden nicht; in ihren Händen hielt sie krampfhaft ihren Groll und hatte keine Hand frei für das Kind. Er hört das Röcheln, aber er weiß, das Kind ist abgerichtet von seinen Feinden; es hat kein kindlich Herz gegen ihn; und wäre es wirklich krank, so wäre es absichtlich krank geworden, um ihn betrügen zu helfen, und stürbe es, so würde sein Sterben noch ein Kupplerdienst sein, den es seinen Feinden tut. Wäre sein Auge nicht selber so krank, daß es ihm außen nur immer das eine zeigt, über dem seine Seele innen unablässig brütet, er müßte es am Gesichte der Mutter sehen, an dem Ton ihrer Stimme hören: sie verstellt sich nicht, das Kind ist wirklich krank und sehr krank. Aber ihre Weichheit, ihre Angst ist ihm nur die Angst ihres Gewissens, die Angst vor seiner Strafe, die sie verdient fühlt und doch entwaffnen will. Valentin tritt von dem Lichte weg und geht hinaus, um sich draußen auszuweinen. Der Mann steht auf und nähert sich leise der Frau, ohne daß sie ihn bemerkt. Er will sie überraschen, und das gelingt ihm. Sie erschrickt, wie sie plötzlich über dem Bette jäh vor sich ein entstelltes Menschenantlitz sieht. Sie erschrickt, und er preßt durch die Zähne: »Du erschrickst? Weißt du warum?«

Sie hat ihm selber sagen wollen, daß Apollonius in der Stube gewesen ist, aber noch hat sie es nicht gekonnt. Vor dem Bette des kranken Kindes durfte sie es nicht; weil sie weiß, er wird auffahren; den Anblick seiner Roheit hat sie dem Kinde erspart, als es noch gesund war, wenn sie es vermochte; jetzt konnte der Schreck dem kranken Kinde den Tod bringen.



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